Biostimulanzien – eine regulatorische Einordnung

Die Abgrenzung von Biostimulanzien zu Pflanzenschutz- und Düngemitteln kann schwierig sein und bedarf daher eines detaillierten regulatorischen Rahmens.

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Kathrin Draaken
Fachbereich Biostimulanzien Industrieverband Agrar e.V. (IVA)

Einleitung

Biostimulanzien ergänzen neben den klassischen Betriebsmitteln den Werkzeugkasten in der Landwirtschaft, im Gartenbau und in Sonderkulturen. Sie sind vielfältig einsetzbar und tragen dazu bei, Kulturpflanzen wie z. B. Rasengräser leistungs- und widerstandsfähiger zu machen und sie gegen äußere, abiotische Einflüsse zu schützen.

Als Ergänzung zu Pflanzenschutz- und Düngemitteln können Biostimulanzien mit Hinblick auf den stetig voranschreitenden Klimawandel genauso von Bedeutung sein wie bei der Umsetzung von umwelt- und agrarpolitischen Forderungen, die alle eine Einsparung von Pflanzenschutzmitteln sowie einen effizienteren Nährstoffeinsatz vorsehen.

 

Woraus bestehen Biostimulanzien und was sind ihre Aufgaben?

Biostimulanzien umfassen ein breites Spektrum an Substanzen. Man unterscheidet zwischen mikrobiellen und nicht-mikrobiellen Biostimulanzien. Zu den nicht-mikrobiellen Biostimulanzien zählen z. B. Algen, anorganische Substanzen, Aminosäuren sowie Humin- und Fulvosäuren. Zu den mikrobiellen Biostimulanzien gehören aktuell nach EU-Düngeprodukte-Verordnung Azotobacter spp., Rhizobium spp. Azospirillum spp. und Mykorrhizapilze. Der Einsatz weiterer Mikroorganismen wird derzeit von der EU-Kommission geprüft.


Abb.1: Integrierter Pflanzenbau (Quelle: IVA)

 

Die Aufgaben von Biostimulanzien sind vielfältig. Sie entfalten ihre Wirkung vor allem auf Standorten und unter Umweltbedingungen, die nicht optimal sind. Mikroorganismen, Algenextrakte sowie Huminstoffe können durch verschiedene Wirkmechanismen wie Nährstoffmobilisierung, Wurzelwachstum und Verbesserung der Bodenstruktur die Nährstoffverfügbarkeit und -aufnahme von beispielsweise Stickstoff und Phosphat verbessern. Der Einsatz von Aminosäuren kann die Effizienz und Verträglichkeit von Pflanzenschutz- und Blattdüngeranwendungen erhöhen. Anorganische Substanzen werden beispielweise als Wachstumsförderer eingesetzt.

 

Wie werden Biostimulanzien regulatorisch gesehen?

In der Vergangenheit gab es keinen einheitlichen europäischen Rechtsrahmen für diese Produktgruppe. In den einzelnen Mitgliedstaaten gab es unterschiedliche Verfahren und Hürden, die überwunden werden mussten, bevor ein Produkt auf den Markt gebracht werden konnte. Mit Inkrafttreten der EU-Düngeprodukte-Verordnung (EU) 2019/1009 hat sich das geändert, denn „Pflanzen-Biostimulanzien“ sind darin nun auf europäischer Ebene einheitlich geregelt und definiert. Sie bilden in der Verordnung eine eigene Produktionsfunktionskategorie (PFC 6) mit CE-Kennzeichnung und bestätigen damit ihre Konformität mit den Anforderungen der Verordnung. Für die CE-Kennzeichnung ist eine Konformitätsbewertung erforderlich, die der Qualitätssicherung und deren Nachweis dient.


Übersicht 1: Substanzen zur Herstellung von Biostimulanzien (Quelle: IVA)

 

 

Exkurs Konformitätsbewertung

Für die Konformitätsbewertung muss in Abhängigkeit von den Produkteigenschaften und den eingesetzten Ausgangsstoffen eines von vier Bewertungsmodulen durchlaufen werden. Die Funktion eines Produktes ist das erste Kriterium zur Auswahl des Konformitätsbewertungsmoduls. Die grundlegenden Anforderungen an die jeweilige Produktfunktionskategorie (PFC) finden sich im Anhang I der Verordnung (EU) 2019/1009. Die Zusammensetzung eines Produktes ist das zweite Kriterium zur Auswahl des Konformitätsbewertungsmoduls. Die grundlegenden Anforderungen an die jeweiligen Komponentenmaterialkategorien (CMC) finden sich im Anhang II der Verordnung.


Abb. 2: Schritte zur Konformitätsbewertung (Quelle: IVG)

 

Die vier Module setzen unterschiedliche Anforderungen voraus. Für Biostimulanzien sind spezielle Anforderungen vorgesehen, die mit Prüfstandards gekoppelt sind.

Diese Prüfstandards werden vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) entwickelt. So müssen z. B. die Produkte ihre Wirksamkeit in Abhängigkeit von der gewählten Kulturpflanze bzw. der Bodenart nachweisen.

Zur Überprüfung dieser Kriterien werden externe, unabhängige Konformitätsbewertungsstellen (KBS) benötigt. Aktuell gibt es in Europa acht dieser akkreditierten Stellen (Stand: August 2023). Eine Übersicht findet sich in der NANDO-Datenbank: EUROPA – European Commission – Growth – Regulatory policy – SMCS.

In Deutschland baut das Julius-Kühn-Institut (JKI) derzeit eine solche Konformitätsbewertungsstelle auf.

 

Abgrenzung zu Pflanzenschutz- und Düngemitteln

Biostimulanzien werden öfters als Ersatz für Pflanzenschutzmittel gesehen. Ein genauer Blick in die EU-Verordnung macht jedoch schnell deutlich, dass sie keine Pflanzenschutzmittel sind. Die Aufgaben von Biostimulanzien sind dort klar definiert und sie zielen ausschließlich auf die Verbesserung eines oder mehrerer der folgenden Merkmale der Pflanze oder der Rhizosphäre der Pflanze ab:

  • Effizienz der Nährstoffverwertung,
  • Toleranz gegenüber abiotischem Stress,
  • Qualitätsmerkmale oder
  • Verfügbarkeit von im Boden oder
    in der Rhizosphäre enthaltenen Nährstoffen.

Der Schutz der Pflanze gegen biotischen Stress ist somit keine Aufgabe von Biostimulanzien. Daher sind sie regulatorisch auch vom Anwendungsbereich der Pflanzenschutz-Verordnung (EG) 1107/2009 ausgenommen. Ihre Wirkungsweise grenzt sich klar von den biologischen Pflanzenschutzmitteln ab. Ebenso wenig sind sie ein Düngemittel im klassischen Sinne. Sie stellen keine Nährstoffe bereit, sondern können vielmehr die Effizienz der zugeführten Nährstoffe verbessern.

Die Abgrenzung von Biostimulanzien zu Pflanzenschutz- und Düngemitteln kann im Einzelfall schwierig sein und bedarf daher eines detaillierten regulatorischen Rahmens, um in der Praxis rechtlich heikle Grauzonen zu vermeiden. So können Pflanzenschutzmittel und Biostimulanzien zwar die gleichen Inhaltsstoffe haben, durch unterschiedliche Konzentrationen oder Applikationszeiten bei der Anwendung unterscheiden sich jedoch die Effekte auf die Pflanze, sodass hier eine Abgrenzung erfolgen kann und muss („Multiple-use“-Prinzip). Es ist daher wichtig, stets eine Bewertung auf Produktebene und nicht auf der Ebene einzelner Inhaltsstoffe vorzunehmen.

Weitere Informationen dazu finden Sie auf der IVA-Website: Biologicals | Industrieverband Agrar (iva.de)

 

Fazit

Biostimulanzien sind ein ergänzendes Werkzeug im integrierten Pflanzenbau und können dazu beitragen, den gewaltigen Herausforderungen gegenüber dem gesellschaftlich-politischen Wunsch nach einer nachhaltigeren Ausrichtung der Landwirtschaft gerecht zu werden. Wichtig bei der Anwendung ist eine realistische Erwartungshaltung, denn Biostimulanzien sind keine Allheilmittel. Die Anwendung erfordert ein hohes Maß an Fachwissen unter Berücksichtigung der jeweiligen Kulturen und deren Standortbedingungen. Umso wichtiger ist es, dass die politischen Rahmenbedingungen die Entwicklung und Forschung in diesem Bereich unterstützen und damit den Weg für weitere innovative und wirksame Produkte ebnen.

 

Autorin:

Kathrin Draaken
Fachbereich Biostimulanzien
Industrieverband Agrar e.V. (IVA)
E -Mail: draaken.iva@vci.des

 

Quelle:

Rasen 3/23, Köllen Druck+Verlag GmbH, Bonn